Laudatio von Jörg Kenter
Erich Schönfeld
Sehr geehrte Anwesende,
Zuerst eine kurze Vorstellung meinerseits: Jörg Kenter, im Jahre 1945 an der Elbe im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. Nach der frühen Flucht über die ‚grüne Grenze‘ in den Westen, in der lippischen Heimat des Vaters aufgewachsen und zur Schule gegangen, Bundeswehrzeit und von 1967 bis 1972/3 Studium in Marburg und Saarbrücken. Seit Februar 1973, also noch zu Lebzeiten von Erich Schönfeld, dann mit Frau und ältester Tochter in Leer, am Teletta-Groß-Gymnasium in Leer als Lehrkraft mit den Fächern Englisch, Geschichte und Gemeinschaftskunde tätig gewesen, dort Übernahme von Leitungsfunktionen als Fachvorsitzender, Koordinator und bis zur Pensionierung im Jahre 2009 als Stellvertreter bzw. Schulleiter. Außerdem war ich in den letzten 50 Jahren im kulturellen Leben der Stadt und der Region auf nationaler und internationaler Ebene tätig.
Bei den Recherchen zu einem Festvortrag für das 75jährige Jubiläum der VHS Leer stieß ich dann auch auf Erich Schönfeld als Mann der ersten Stunde in dieser Bildungsorganisation sowie seine Familie. Im Mittelpunkt des genannten Vortrags standen allerdings Ausführungen zu Bruno Loets und Professor Harry Westermann, den Initiatoren der Neugründung der Bildungsorganisation im Jahre 1945. Die Familie Schönfeld war bei meiner Festrede für das 75jährige Jubiläum der VHS Leer anwesend, die ich wegen Corona erst im Juli dieses Jahres vor einem ausgewählten Publikum halten konnte. Im Anschluss bat mich Frau Zierleyn bei der Eröffnung dieser Ausstellung als Laudator zu fungieren.
Da mir allerdings der kunsthistorische Hintergrund fehlt, werde ich, quasi als Chronist, überwiegend Biografisches zu Erich und Karl-Heinz Schönfeld sagen und Frau Purnhagen wird ihre Ausführungen zu Rosina Zierleyn, Peter Schönfeld Jantina und vom Hagen, anschließen.
Bei der Beschäftigung mit dem Leben des Künstlers E. S. entdeckte ich Parallelen zum eigenen Leben und zum Leben der von mir erforschten Gründer des Volksbildungswerks. Zuerst sind das die Schokoladenpassion, die Heimat der Eltern in Sachsen-Anhalt und die Verbindungen über Grenzen hinweg. Ähnlich wie in meinem Leben spielten bei Schönfeld und Westermann die ‚grüne Grenze‘ bei der Zusammenführung der Familien eine wichtige Rolle.
Erich Schönfeld, 1904 geboren, wuchs in behüteten Verhältnissen im Berlin der Weimarer Zeit in der Familie des Schokoladenmeisters Wilhelm Schönfeld aus Sachsen-Anhalt auf. Erich ging dann zur Schule und zur Universität und wurde durch die Goldenen Zwanziger, die durch Freiheit und Ungezwungenheit bestimmt war, entscheidend geprägt. Schon zur Zeit des ersten Weltkriegs zeigte Schönfeld großes Interesse an Theater und Oper. Besonders die Bühnenbilder hatten es ihm angetan. Er war ein ehrgeiziger und lernbegieriger Student, besonders bei Professor Emil Orlik an der Staatlichen Lehranstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums, heiratete früh und bekam drei Kinder, wovon Karl-Heinz, auf den ich später noch eingehen werde, der Mittlere war. Er hatte viele Begegnungen mit bekanntem Malern und machte, umfassend künstlerisch gebildet, früh beim rasant wachsenden Film als preisgekrönter Grafiker Karriere.
Im Dritten Reich konnte er seinen erfolgreichen Weg beim Film, nicht lange fortsetzen. Durch ein sozialdemokratisches Elternhaus geprägt, hatte er ähnlich wie Westermann und Loets, eine große Distanz zu den neuen Machthabern. Die Medien wurden von Goebbels gleichgeschaltet und Schönfeld hatte als Nicht-Parteigenosse keine Chance, Geld zu verdienen. Während des zweiten Weltkriegs war Schönfeld dann als Kartograf eingesetzt und lernte während eines Lazarett-Aufenthalts in Holland 1942 Klazina Hoeksema kennen, die er nach Kriegsende über die ‚grüne Grenze‘ holte, 1946 in Leer heiratete und mit der er in der bekannten Bethelstraße 8 Kinder hatte.
In der Nachkriegszeit war er auf allen Gebieten schöpferisch tätig. Im frisch gegründeten VBW gab er viele Kurse für die bildungshungrige Bevölkerung. Außerdem war er als Kunstlehrer im Oberlyzeum, dem heutigen TGG tätig (einem weiteren biographischer Berührungspunkt!). Er gründete die grafische Werkstatt der VHS, war aktives Mitglied des BBK und trug zur Entstehung der Leeraner Kunstmeile entscheidend bei. Die letzten Jahre verbrachte er in seinem neuen Heim in Warsingsfehn, wo er 1983 starb.
Um wenigstens ansatzweise Erich Schönfelds künstlerisches Werk zu würdigen, möchte ich meine Ausführungen zu Vater Schönfeld mit zwei Zitaten schließen von dem allseits bekannten Kunsterzieher Heiko Jörn und von Dr. Lübbert Haneborger, der sich anläßlich zweier regionaler Ausstellungen intensiv mit dem Künstler befasst hat.
Heiko Jörn schrieb 2007 im biografischen Lexikon der Ostfriesischen Landschaft, dass „Das Werk Erich Schönfelds (…) eine große Vielfalt an Darstellungsformen von der Zeichnung über die Malerei bis zu allen traditionellen Drucktechniken (zeigt). Die Aquarell- und Ölmalerei sind durch den Spätimpressionismus der zwanziger und dreißiger Jahre in Berlin geprägt, und der Künstler hält in seinen Landschaftsbildern an der Gegenständlichkeit und dem Erfassen des Details fest. Die Bilder tragen allerdings nie den Charakter einer Idylle, sondern versuchen, das Licht, die Farbe und die Dynamik einer Naturerscheinung festzuhalten.“
Lübbert Haneborger ergänzte Jörn 2014 anlässlich der großen Gedächtnisausstellung in Warsingsfehn: „Schönfelds Kunst wäre nach neusachlichen Maßstäben allenfalls klassisch zu nennen und ist weit davon entfernt zum Beispiel wie bei Radziwill als Magischer Realismus eine Brücke zur Phantastik zu schlagen. Vielmehr ist ein Ausspruch von Joseph Beuys, nämlich „Jeder Handgriff muss sitzen“, eher seine Devise gewesen. Und man erkennt besonders in seinen Aquarellen seinen zügigen und präzisen Pinselstrich, zum Beispiel im herrlichen Porträt der „Linde im Schlosspark der Evenburg“ aus dem Jahre 1968.“ (das in der Ausstellung zu sehen ist)
Karl Heinz Schönfeld
Karl-Heinz, Carlo
Erich Schönfeld ist ein aktiver Familienvater gewesen, er hatte insgesamt elf Kinder. Von den drei Kindern aus seiner ersten Ehe mit Gertrud Schmal in den zwanziger und dreißiger Jahren ist heute nur noch Karl-Heinz als der Mittlere übriggeblieben.
1928, als Kind der Weimarer Republik geboren, wuchs er in der Nazi Zeit in Oranienburg auf und wurde von seiner sozialdemokratisch geprägten Familie, den Zeitumständen und der Wohnlage in der Nähe des KZ politisch stark geprägt. Er lernte früh die Möglichkeiten kennen, auch durch Begegnungen mit Insassen des KZ, im damaligen 1000jährigen Reich Hitler-Jugend und Soldat Sein zu umgehen.
Auf Wunsch der Mutter lernte Schönfeld einen ,,anständigen“ Beruf und wurde bei Zeiss-Ikon in Berlin zum Ingenieur ausgebildet. Nach Kriegsende nahm er sein Studium an der „Hochschule für Bildende Künste“ in Berlin auf. Nach anfänglichem Studium der Malerei gab Prof. Carl Hofer den entscheidenden Impuls, sich mehr der Grafik zu widmen. („Schönfeld hören sie auf mit der Malerei – sie haben einen komischen Strich – gehen sie in die Graphik!“) Darauf folgten 4 Semester beim ,,Institut für Pressezeichnen".
Erste Sporen verdiente sich Schönfeld mit Zeichnungen für Kinder- und Jugendbücher und gab ein kurzes Intermezzo bei der ,,Jungen Welt" in Ostberlin. Weitere Stationen waren der ,,Tagesspiegel" in Berlin, weitere europäische Zeitungen sowie die ,,New York Times". Von 1960 bis 1974 war er Stammzeichner der BILD-Zeitung und von 1975 bis 2009 Hauskarikaturist des HAMBURGER ABENDBLATT. In der Zeit von 1980 bis 1987 machte Karl-Heinz Schönfeld außerdem für das Fernsehen des NDR die Satire-Sendung ,,Schlussstrich".
Er erhielt viele Karikaturenpreise in Deutschland, England, Kanada, Japan und Italien, wo er lange Jahre verbrachte und den Namen Carlo erhielt und weiterverwendete. Nach meinem Eindruck passt dieser Name besser auf ihn als sein bürgerlicher Name. Man verbindet damit Cartoon Figuren oder auch andere zeitgenössische Prominente. Ich habe dabei immer sein Selbstportrait aus der Ausstellung als knubbeliger Zeichenstift vor Augen.
Nach diversen Wohnortwechseln lebt und arbeitet Schönfeld heute in Potsdam. Am Telefon wirkt er fit und lebendig, geistig wendig und schlagfertig. Auf meine Frage hin, ob man seinen Vater als einen Charmeur bezeichnen könne, antwortete er: ‚Ja, von 10 vor bis 10 nach 8!‘ Anschließend war es für Vater Schönfeld schwer genug, den Lebensunterhalt seiner Familie zu verdienen. Seine Entscheidung, Karikaturist zu werden liegt in der politischen Prägung des Elternhauses und den Begegnungen mit den KZ-Häftlingen begründet. So gesehen benutzt er den Zeichenstift als seine geistige Waffe.
Als Karikaturenfan steht er für mich in der Reihe der großen deutschsprachigen Meister wie Harderer, Murschetz, Markus, Stuttmann, Tetsche und Haitzinger. Als Anglist muss ich natürlich auch Gerald Scarfe mit seinem genialen Strich nennen. Mein täglicher Blick in die Tageszeitung beginnt auf Seite 3, auf der man in der Regel die politische Karikatur findet. Während meiner aktiven Zeit als Lehrer wurde der Politikunterricht häufig mit einer Interpretation einer Karikatur angereichert und ich habe sie auch vor der Zeit des Zentralabiturs als Abiturvorschlag eingereicht.
In seiner aktivsten Zeit pflegte Carlo persönliche Kontakte zu den führenden Politikern aller Herren Ländern, von Adenauer bis Gorbaschow.
Um sein außergewöhnliches Werk zu würdigen, möchte ich mit zwei Zitaten schließen. Prof. Walther Keim, der langjährige Leiter der Pressedokumentation des Bundestages, sagte in einer bekannten Laudatio aus den 1990er Jahren:“Immer, über viele Jahre hinweg ist Karl-Heinz Schönfeld ‚Advokat‘ und ‚Gatekeeper‘ des Zeitgeschehens und der Menschen Schicksale geblieben. Immer hat er sich einem bequemen Infotainment entzogen, (hat stattdessen) aktuell und brisant mit offenen Augen und Ohren, ‚mit Kriegslist‘ und Intelligenz, mit erfrischendem Geist und freiem Denken einen Kontrapunkt zu vielen Wirbelstürmen und Sturzfahrten gesetzt.“ Dr. Bernd Schmelzer, Literaturwissenschaftler und Herausgeber des Buches ‚Karl-Heinz Schönfeld - Das kleine Karakiri’ charakterisiert den Künstler 1993 wie folgt:“ … Schönfeld (ist) ein taktvoller Karikaturist ist, der gewissermaßen die Ethik seiner Zunft verkörpert: … Man kann jemanden nur dadurch sehend machen, dass man ihm die Augen öffnet, niemals aber dadurch, dass man ihm aufs Auge schlägt. (und) … Schönfeld hat ein kollegiales Verhältnis zum Zeitgeist, sie sitzen (beide) abends oftmals in einer Hamburger (oder Potsdamer) Kneipe und plaudern miteinander. Wovon da die Rede ist, kann man in den nächsten Tagen in … (einer renommierten) Zeitung sehen. Beglaubigt durch das Markenzeichen Schoenfeld,“ (das sich mittlerweile unter mehr als 37000 Karikaturen , u.a. die ‚Banklady‘ findet.)
Rosina Zierleyn- Schönfeld Jantina Vom Hagen geb. Schönfeld Karl Heinz Schönfeld Peter Schönfeld